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A-2.1.4.5 Militärischer Regelbetrieb

1 Abgrenzung zu anderen Verursachungsszenarien

Das Verursachungsszenarium „Militärischer Regelbetrieb“ umfasst die Vorgänge während des normalen Betriebs einer militärischen Liegenschaft im Kommandobereich militärischer Befehlsstrukturen in Friedens- und Kriegszeiten.

Das Verursachungsszenarium beinhaltet nicht den militärischen Regelbetrieb in Standorten der Munitionsproduktion und -lagerung sowie die Ereignisse und Auswirkungen, die innerhalb derartiger Liegenschaften durch Kampfhandlungen während des Zweiten Weltkriegs oder durch Munitionsvernichtungen nach Ende der beiden Weltkriege eingetreten sind.

 

2 Einleitung

Das Unterhalten und Vorbereiten auf die Aufgaben einer Armee erfordern Standorte zum Vorhalten und Lagern von Personal und Material sowie Infrastruktur zur Ausbildung. Je nach global-politischer Situation umfasst dies eine mehr oder weniger große Zahl über ein Staatsgebiet verteilter, militärisch genutzter Standorte.

Die Standorte des militärischen Regelbetriebs werden zur besseren Beschreibung der möglichen Kampfmittelbelastungen in drei Gruppen unterteilt:

  • Standorte des Ausbildungsbetriebs,
  • Standorte des Versuchsbetriebs,
  • Sonstige Standorte des Regelbetriebs.


Standorte des Ausbildungsbetriebs

Die Waffen- und Schießausbildung ist wesentlicher Bestandteil der militärischen Ausbildung. Dies wurde und wird regelmäßig geübt. Die Übungen fanden und finden in Abhängigkeit des Ausbildungszwecks

  • in Kasernen (z. B. das Zerlegen von Infanteriewaffen oder Pionierübungen),
  • auf Standortübungsplätzen (z. B. die Infanteristische Ausbildung und das Schießen in Schießbahnen),
  • auf Truppenübungsplätzen (z. B. die gefechtsmäßige Ausbildung auch mit scharfem Schuss innerhalb und außerhalb fest definierter Schießbahnen),
  • außerhalb militärischer Standorte im Rahmen von Manövern

statt.

Standortübungsplätze lagen zumeist in der Nähe zu Truppenunterkünften, um eine räumlich nahe und damit zeitsparende Ausbildung zu gewährleisten. Truppenübungsplätze mit ihrem großen Flächenbedarf lagen zumeist in wenig bevölkerten und infrastrukturschwachen Gebieten. Sie waren seit dem ersten Ausbau, der zu einer Inbetriebnahme zahlreicher Truppenübungsplätze (ca. 1895) führte, über ganz Deutschland verteilt.


Je nach Ausbildungszweck können Boden-, Luft- und Wasserübungsplätze unterschieden werden. Deren infrastrukturelle Ausstattung richtete sich nach dem Ausbildungszweck. Sie beinhaltet u. a.

  • Schießstände und -bahnen, Rohrwaffen gegen Boden-, Luft- und Seeziele,
  • Feuerstellungen für die Artillerietruppe,
  • Sprengplätze für Pioniere,
  • Handgranatenwurfplätze,
  • Bombenabwurfplätze.

Derartige Ausbildungseinrichtungen bestanden aus den Stellungsbereichen, von denen geschossen wurde und den mehr oder weniger ausgedehnten Zielgebieten mit fest oder beweglich aufgestellten Zielen. Die räumliche Ausdehnung der Ausbildungseinrichtungen richtete sich nach dem Ausbildungszweck. Zumeist wurde in ein oder mehrere, zentral gelegene Zielgebiete geschossen. Diese Zielgebiete wurden auch für das Schießen aus Außenfeuerstellungen genutzt.


Standorte des Versuchsbetriebs

Waffen- und munitionstechnische Versuchsanlagen stellten einen Sonderfall dar und beschränkten sich auf wenige Standorte. Sie dienten der wissenschaftlichen Untersuchung und Erprobung von Waffen und Munition. Derartige Schießplätze wurden sowohl vom Militär als auch von der Industrie betrieben. Erprobt wurden v.a. Prototypen, Modifikationen und Beutemunition.

Neben dem Wirkungsbild der Munition war oft auch die Standfestigkeit von Verteidigungsbauten, Panzerung oder militärischer Ausstattung (z. B. Stahlhelme) von Bedeutung.


Sonstige Standorte des Normal- und Regelbetriebs

Truppenunterkünfte und andere Standorte des militärischen Regelbetriebs besaßen oft keine Einrichtungen, die zu einer Kampfmittelbelastung geführt haben konnten. Zeitlich und zweckbezogene Besonderheiten sind allerdings bekannt (z. B. Bordwaffenjustierstände auf den Fliegerhorsten des Dritten Reiches).

 

3 Quellenlage

Die Quellenlage ist für die Standorte des Ausbildungsbetriebs, des Versuchsbetriebs und der Standorte des Regelbetriebs sehr unterschiedlich.

Der Aufbau und Betrieb von Standort- und besonders Truppenübungsplätzen wird im Wesentlichen mit Quellen der jeweiligen Betreiber dokumentiert. Hierzu gehören die deutschen Dienststellen und nach dem Zweiten Weltkrieg auch die der Gaststreitkräfte. Die Unterlagen finden sich heute in verschiedenen Archiven oder bei den Streitkräften. Aufklärungs- und Spionageberichte und Luftbilder existieren nur untergeordnet in den ausländischen Archiven. Auch ist die Luftbildabdeckung häufig nur auf die Kasernenbereiche von Übungsplätzen beschränkt, während der eigentliche Übungsplatz allenfalls durch Übersichtsaufnahmen abgedeckt ist.

Wegen ihres besonderen Informationspotenzials wurden die Versuchseinrichtungen durch häufig umfangreiche Bestände der Betreiber und der gegnerischen Aufklärung dokumentiert. Nach der Einnahme derartiger Standorte nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde der Stand der deutschen Militärforschung und -entwicklung intensiv analysiert. Deutsche Unterlagen wurden von den Alliierten konfisziert und in deren Heimatländer verbracht. Lediglich ein Teil dieser Dokumente wurde in den 60er Jahren an Deutschland zurückgegeben.

Die Standorte des Regelbetriebs sind durch deutsche und/oder ausländische Quellen meist gut dokumentiert. Der Überlieferungsgrad hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab und kann bei vergleichbaren Standorten sehr unterschiedlich sein.

Für die Rekonstruktion derartiger Standorte sind die deutschen Archive auf den verschiedenen Ebenen relevant. Neben dem Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg sind auch die Bundesarchive in Berlin und Koblenz wichtig. Landes- und kommunale Archive können fallweise wichtige Dokumente besitzen. Die im Kapitel 2.1.3 „Informationsquellen“ genannten ausländischen Archive besitzen häufig sehr umfangreiche und relevante Bestände, die insbesondere die Zeit des Zweiten Weltkriegs und danach umfassen.

Bei allen Recherchen für Standorte des militärischen Regelbetriebs sind die Bestände der militärischen Einheiten und Verwaltungseinheiten zu berücksichtigen. Geheimhaltungen können dabei die Beschaffung erschweren oder unmöglich machen, so dass derartige Recherchen nur wenigen Stellen vorbehalten bleiben.

 

4 Besondere Anforderungen an die Recherche

Die langjährige Nutzung militärischer Standorte, die bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen kann, macht es notwendig, die Recherchestrategie detailliert auszuarbeiten. Dabei sind insbesondere die auf den Standorten stationierten Einheiten und die Verwaltungsstellen des Liegenschaftsbetriebs zu bestimmen. Damit kommt dem Provenienzprinzip eine besondere Bedeutung zu.

In den überlieferten Archivalien finden sich nur selten direkte Hinweise auf Kampfmittelbelastungen. Für ihre Rekonstruktion sind deshalb die zu einer derartigen Belastung führenden Handlungen und dazugehörenden Infrastruktureinheiten zu bestimmen. Wesentliche Informationen sind in Dienstvorschriften zum Betrieb und in Forschungs- und Spionageberichten enthalten.

Der Bearbeiter einer Recherche benötigt detaillierte Kenntnisse der militärischen Organisation und der relevanten Vorgänge und Nutzungen auf derartigen Standorten.

 

5 Besondere Anforderungen an die Auswertung

Rückschlüsse auf Kampfmittelbelastungen lassen sich meist nur über die Rekonstruktion von Nutzungsstrukturen und Handlungsabläufen ziehen. Die vergleichende Bearbeitung analoger Standorte ist ein weiterer wesentlicher Arbeitsschwerpunkt.

 

6 Ausprägung der Kampfmittelbelastung

Mögliche Kampfmittelbelastungen durch den Ausbildungs- und Versuchsbetrieb sind zunächst auf allen derartigen Standorten zu erwarten. Die Kampfmittelbelastung hängt dabei insbesondere vom Nutzer, der Nutzungsdauer und deren Intensität ab. Je nach Infrastruktur und Nutzungsart können annähernd punktuelle oder auch großräumige Kampfmittelbelastungen entstanden sein. Deren Begrenzung ist häufig nicht scharf, sondern unregelmäßig ausgebildet.

Demgegenüber ist die Kampfmittelbelastung auf Standorten des Regelbetriebs grundsätzlich geringer ausgebildet.

 

7 Eingesetzte und heute zu erwartende Kampfmittel

Auf Standorten des Ausbildungs- und Übungsbetriebs ist ein großes Spektrum an Kampfmitteln zu erwarten.

Gleiches gilt für die Standorte des Versuchsbetriebs, auf denen zudem seltene, nur in geringen Stückzahlen hergestellte Erprobungsmunition und ungewöhnliche Beutemunition erwartet werden kann.

Bei den Standorten des Regelbetriebs sind die Munitionstypen der jeweiligen Nutzer zu erwarten.

 

8 Abschätzung des allgemeinen Gefährdungspotenzials

Eine allgemeingültige Aussage zum Gefährdungspotenzial dieser Standorte kann wegen der komplexen und sehr unterschiedlichen möglichen Belastungen nicht getroffen werden. Die Gefährdungsabschätzung bleibt damit einzelfallbezogenen Untersuchungen vorbehalten.

 

9 Relevanz der Kampfmittelbelastung aus heutiger Sicht

Wegen der langjährigen intensiven und vielschichtigen Nutzung stellen insbesondere die Truppenübungsplätze und Versuchsbetriebe Standorte mit einer relevanten Kampfmittelbelastung dar. Demgegenüber sind die Kampfmittelbelastungen – von punktuellen Vorkommen abgesehen – auf Standortübungsplätzen und Standorten des Regelbetriebs weniger bedeutsam.


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